Entscheidend, um die Größe und Dringlichkeit der vor uns stehenden Aufgabe zu verstehen, ist die Kenntnis des noch verbleibenden globalen Kohlenstoffbudgets. Ob die Selbstverpflichtungen der Länder und deren nationale klimapolitischen Pläne ausreichen die Ziele des Weltklimaabkommen zu erreichen lässt sich daran messen. Die Wissenschaft kann mit zunehmender Genauigkeit den Rahmen (Unsicherheitsbereich) nennen, in dem sich das verbleibende Budget an Treibhausgasemissionen bewegt, um das 2-Grad-Ziel beziehungsweise das 1,5-Grad-Ziel einhalten zu können. Laut Ottmar Edenhofer vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung können im Zeitraum 2011 bis zum Jahr 2100 noch folgende Mengen an Treibhausgasemissionen in der Atomsphäre deponiert werden [2]:
Die vor der Weltklimakonferenz in Paris eingereichten Selbstverpflichtungen summieren sich allerdings alleine bis 2030 auf etwa 815 Gt CO2, was einer Erderwärmung von knapp 3-Grad bedeuten würde. Von 2011 bis 2015 sind bereits etwa 180 Gt CO2 in die Atmosphäre gelangt (Schätzung; [3]). Der Wunsch, die Erderwärmung zu begrenzen und die tatsächliche Wirtschaftspolitik der Länder, billige Energie aus Kohle zu gewinnen, stehen ebenfalls noch im Widerspruch. Alleine die in 2015 weltweit vorhandenen und geplanten Kohlekraftwerke würden zu insgesamt 450 Gt CO2 Emissionen führen.[2][4]
Nebenstehende Messreihe, die Charles David Keeling (1928-2005) im Jahr 1957 startete und die seitdem am Mauna Loa Observatorium auf Hawaii kontinuierlich gemessen wird, zeigt den Anstieg der CO2
Konzentration in der Atmosphäre von 317 ppm im Jahr 1958 auf über 400 ppm im Mai 2015 (rote Kurve: jahreszeitliche Schwankungen durch das Atmen der Biosphäre). Prof. Kai Niebert (Uni Zürich und
Präsident des Deutschen Naturschutzring) gibt die Grenze, um das 1,5-Grad-Ziel mit 66% Wahrscheinlichkeit noch zu halten, bei 420 ppm an. Es verbleiben also nur noch 20 ppm um das 1,5-Grad-Ziel
zu halten, wobei laut Niebert ein Ausstoß von etwa 280 Gt CO2 als realistische Größenordnung für das Restbudget gilt. Nimmt man - als Gedankenspiel - die in 2014 alleine durch Verbrennung
fossiler Energieträger emittierten 32 Gt CO2 und geht davon aus, dass wir in den nächsten Jahren etwa so viel wie in 2014 emittieren, so verbleiben weniger als 10 Jahre bis die Grenze
überschritten wäre - und danach müsste der weltweiten CO2 Ausstoß schlagartig auf netto Null fallen.
Dies kann nur heißen: Abschalten, Dämmen und Einsparen und zwar ab sofort! [2]
Nebenstehende Grafik zeigt die Jahre 1870 und 2014 im Vergleich (288 ppm zu 397 ppm). Damit verbunden ist etwa 1-Grad Erderwärmung. Die Größenverhältnisse der CO2 Mehrbelastung in der Atmosphäre verteilt sich auf 60% Kohle und Öl, 27% Landnutzungsänderung, 11% Gas und 2% Zementproduktion. Ozeane und Land (Wälder und Böden) haben in etwa gleich viel CO2 aufgenommen und verringern damit die Belastung der Atmosphäre. Beispiele für Landnutzungsänderungen sind die Umwandlung tropischer Wälder in Acker- und Weideland, das Umpflügen von Grünland zu Ackerland, Ausweitung von Siedlungsflächen und vieles mehr. mehr zum Thema Boden
Insgesamt wird klar, mit einen "weiter so" bei Klimaschutz und Dekarbonisierung
Aus diesem Grunde wird bereits über negative Emissionen im großen Maßstab diskutiert. Kohlendioxid muss wieder aus der Luft gefischt werden, beispielsweise durch Waldschutz, Aufforstung, Kombination von Biomasse-Verbrennung und der unterirdischen Speicherung von CO2 (CCS Technologie). Schellnhuber warnt in diesem Zusammenhang vor der Illusion, die Gesellschaft durch politischen Manöver von der notwendigen und schmerzhaften industriellen Dekarbonisierung ablenken zu wollen. Die meisten Maßnahmen aus dem Gruselkabinett des Geo-Engineering bzw. der Klimamanipulation seine hochriskant bzw. in einer notwendigen Größenordnung nicht umsetzbar, um das Klima merklich zu beeinflussen. Die von mehreren Autoren mittlerweile ins Spiel gebrachte Eisendüngung der Ozeane sieht er in der Kategorie "Frankenstein-Wissenschaft", die nicht weiter über das Schicksal ihrer Kreaturen nachdenke. Entscheidende Fragen zur Langfristigkeit des Effekts in den Ozeanen, Fragen nach den ökologischen Nebenwirkungen und vor allem der großindustriellen Durchführbarkeit um jährlich etwa 35 Milliarden Tonnen CO2 aus der Atmosphäre zu ziehen seien unbeantwortet.[1] Gleichwohl gibt es auch andere Vorschläge, die sinnvoll und unbedenklich sind. [1][2] Niebert nennt hierzu einige Beispiele
und nennt als sinnvolle und einfachste Möglichkeit eine nachhaltige Bodenbewirtschaftung um große Mengen an Kohlenstoff im Boden zu speichern.
mehr zum Thema Landwirtschaft und Klima
Diese Maßnahmen erreichen aber wohl kaum Größenordnungen, die es rechtfertigen die notwendigen Maßnahmen der Dekarbonisierung noch weiter zu verzögern oder gar zu ersetzen. Es führt also kein Weg an einem zügigen Kohleausstieg und der industriellen Dekarbonisierung vorbei.
Lösungsvorschlag von Edenhofer und Mitstreitern:
Edenhofer schlägt die Einführung koordinierter nationaler CO2 Mindestpreise vor (Stichwort - Emissionshandel oder besser CO2 Steuer). Die
G20-Staaten müssten vorweg gehen, da 76% der globalen CO2 Emissionen auf sie entfallen. Die G20 Gipfel 2016 und 2017 seien die beste Gelegenheit, dies auf den Weg zu bringen (Vorsitz nde 2016:
China, Vorsitz 2017: Deutschland). Der finanzielle Lastenausgleich zu den ärmeren Ländern solle laut Edenhofer an ambitionierte Klimaschutzziele und CO2 Mindestpreise gekoppelt werden. Ziel müsse
es sein, den weiteren Ausbau von Kohlekraft schnellstmöglich zu stoppen und Kohle schnell teurer als die Erneuerbaren Energien zu gestalten.
Weitere Vorschläge:
[1] Schellnhuber, Hans Joachim (2015): Selbstverbrennung, Bertelsmann
[2] Sommer Jörg, Müller Michael (Hrsg.) (2016): Unter 2 Grad?, Hirzel
[3] Global Carbon Project (2015): Globa Carbon Budget
[4] Brackel, Benjamin von (20.4.2016): CO2 sparen reicht nicht mehr, fr-online
Bild: ©Margot Kessler / pixelio.de
Grafik 1-2: Global Carbon Project 2015