Seit Beginn der Industrialisierung wurden enorme Mengen an Treibhausgasen in die Atmosphäre "entsorgt". Politik und Wirtschaft haben es bisher versäumt frühzeitig eine
Umkehr zur Dekarbonisierung einzuleiten. Unsere Energieversorgung von Kohle, Öl und Gas auf Erneuerbare Energien umzustellen ist die Maßnahme mit der größten
Wirksamkeit zur Begrenzung des Klimawandel. Dies ist allerdings nur ein Teil der Lösung. Heute sind deshalb - gleichzeitig und entschlossen - weitere Maßnahmen zur schnellen Reduktion der CO2
Emissionen in den Sektoren Verkehr, Wärme, Landwirtschaft und Industrie dringend erforderlich. Nur so ist der Wettlauf gegen die Zeit noch zu gewinnen, um den Klimawandel in erträglichen Grenzen
zu halten.
2015 und 2016 hat sich das Bewusstsein zu Erneuerbaren Energien weltweit auf ein neues Niveau entwickelt. Das "Weltklimaabkommen von Paris" ist ein historischer Meilenstein in der Entwicklung der Menschheit den selbst verursachten Klimawandel mit seinen verheerenden Folgeschäden zu begrenzen. Vorrangegangen waren enorme Fortschritte in der Klimawissenschaft und das zunehmende Engagement der Zivilgesellschaft, um die Politik zum Handeln zu bewegen. Wetterextreme, wie wir sie unter anderem auch in 2015 und 2016 in Deutschland erlebten, konnten aufgrund ihrer ungewöhnlichen Häufung nun auch von der breiten Bevölkerung mit dem Klimawandel im Zusammenhang verstanden werden. Existentielle Zusammenhänge (vgl. Grafik) wurden immer mehr Menschen bewusst
Eine sehr aussagekräftige Grafik zu den Kipp-Elementen in Bezug auf die Entwicklung der globalen
Mitteltemperatur hat das PIK veröffentlicht.[1][7][8]
Die geduldige Arbeit von Wissenschaft und Zivilgesellschaft führte endlich zu einem Umdenken
195 Ländern vereinbarten im Dezember 2015 in Paris ein neues Weltklimaabkommen mit dem Ziel, die Erderwärmung auf weniger als 2-Grad-Celsius - möglichst auf 1,5-Grad-Celsius - gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Sechs Jahre zuvor (Weltklimakonferenz Kopenhagen, 2009) war dies noch an den Interessen von mächtigen Großkonzernen aus dem Öl- und Energiegeschäft sowie an Interessen von Ländern, deren Staatshaushalte vom Export fossiler Energieträger abhängig ist, gescheitert.
Zwei Veröffentlichungen aus dem Jahre 2015 fassen das aktuelle Wissen zu den planetarischen Grenzen, der Klimawissenschaft, der Frage von Moral und Ethik und der sozialen Frage aus vielfältiger Perspektive zusammen:
Sie analysieren tiefgehend die aktuelle Lage, wie es dazu kommen konnte und zeigen grundsätzliche Lösungsansätze.
Die beiden Werke, im Zusammenhang gelesen, geben Orientierung in unserer heutigen Welt des Umbruchs. Sie zeigen die Grenzen auf, die uns Menschen
gegeben sind. Wie schon Kant feststellte ist der Mensch frei und kann sich deshalb auch für das Böse entscheiden. Für die Debatte in unserer Demokratie ist es deshalb von entscheidender Bedeutung, diese Grenzen zu kennen und zu respektieren. Dies macht den Unterschied, ob wir uns als Gesellschaft für eine gute oder eine schlechte Zukunft entscheiden.
Wir stehen an der Schwelle zur Zivilisationsstufe der Nachhaltigkeit. Wir erleben den Beginn einer neuen großen Umwälzung (große Transformation). Die Dimension und Bedeutung dieses Umbruchs wird in o.g. Literatur aus Sicht von Zivilisationsgeschichte, Klimageschichte und dem Zusammenhang mit der Verfügbarkeit von Energie für die Menschheit deutlich. Schellnhuber sieht dies in einer Reihe mit den beiden großen Transformationen in der Zivilisationsgeschichte der Menschheit:
Die Entwicklung seit 1780 verlief in mehreren langen Wachstums- und Innovationszyklen die jeweils von einigen bahnbrechenden Erfindungen ermöglicht wurden [3]
Ernst Ulrich von Weizsäcker sieht in der weltweiten Einsicht, dass der Trend zur "grünen Technik" unumkehrbar ist beziehungsweise im zwingenden Bedarf für den ökologischen Umbau die Chance für einen neuen Innovations- und Wachstumszyklus. Laut Weizsäcker könnte dieser Zyklus von aktuellen Themen und Erfindungen wie Erneuerbaren Energien, Nachhaltigkeit, radikale Erhöhung der Ressourcenproduktivität, Systemdesign und Bionik (die Natur als Modell, Maß und Lehrmeister technologischer Innovation) geprägt sein. [3]
Man mag darüber debattieren ob Weizsäckers Beschreibung eines Lösungswegs verhältnismäßig einfach oder außerordentlich schwierig umsetzbar ist. Sicher erfordert dieser Weg großes Engagement aus Wissenschaft, Gesellschaft, Politik, Kapitalgebern und Wirtschaft. Eines aber ist gewiss: solch ein Lösungsweg, die Chancen zu ergreifen die im unvermeidlichen Wandel liegen, ist allen rückwärtsgewandten "Alternativen" aber auch revolutionären, destruktiven Ansätzen (Naomi Klein [6]) vorzuziehen.
[1] Schellnhuber, Hans Joachim (2015): Selbstverbrennung, Bertelsmann
[2] Papst Franziskus (2015): ENZYKLIKA LAUDATO SI´, Vatikan
[3] Weizsäcker, Ernst Ulrich von (2010): Faktor Fünf, Droemer
[4] Sommer Jörg, Müller Michael (Hrsg.) (2016): Unter 2 Grad?, Hirzel
[5] Le Monde diplomatique (2008): Atlas der Globalisierung - Klima
[6] Klein, Naomi (2014): Kapitalismus vs. Klima, Fischer
[8] Schellnhuber H.J., Rahmsdorf S., Winkelmann R. (2016): Why the right climate target was agreed in Paris, nature climate change
Grafik: Le Monde diplomatique 2008, Berlin
Bild 1: Cover "Selbstverbrennung", Bertelsmann
Bild 2: Cover "Laudato si´", Katholisches Bibelwerk